Beiträge zu unserer Arbeitsweise

Tandemarbeit

Zentrale Ziele bleiben auch bei der Arbeit im Tandem die Stärkung der Kinder und ihrer Familien, bei besonderer Berücksichtigung ihrer Kompetenzen und Ressourcen. Zusätzlich werden jedoch Kräfte mobilisiert durch die Philosophie von Co-Konstruktion. Pädagogische Experten mit unterschiedlichem Geschlecht, Alter und Kompetenzen bilden ein sich ergänzendes pädagogisches Zweierteam, das an Stärke durch seine Heterogenität, Teamgeist und die gemeinsame Zielorientierung gewinnt. Seine Einsatzmöglichkeiten sind Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen, besondere Familienkonstruktionen, kulturelle Hintergründe oder besondere Bedürfnisse von Adressaten und stellen zeitgemäße Sozialisationshilfen für Familien dar.

Faktoren der Zusammenarbeit im Tandemmodell

Zuerst gilt es bei der Familie ein Bewusstsein für die zyklisch wiederkehrende Zusammenarbeit zu schaffen. Die „Aufgabenteilung“ orientiert sich dabei an den detaillierten Kenntnissen der Arbeitsweise und der individuellen Ressourcennutzung des anderen und an den Bedürfnissen der Familie, um systemisch-ganzheitlich und zielorientiert zu arbeiten. Die Transparenz der Prozesse, Offenheit und Authentizität auf sozialpädagogischer Kontextebene, die Vernetzung der Mentoren und Bereitschaft zu kontinuierlichem Austausch erhält hier eine zentrale Bedeutung. Dies bedingt auch einen etwa 10%igen höheren Zeitaufwand der Hilfeleistung, um die Zusammenarbeit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Konstruktives Feedback und wertschätzende Beurteilung und Würdigung der Arbeit des Tandempartners, sowie die Verknüpfung mit dem Gesamtkontext der Familiensituation und dem Feedback der Familie legen die Grundlagen für weitere Zielperspektiven.

Kontextbedingte Anwendungsmöglichkeiten

Das Tandemmodell als gemischtgeschlechtliches Zweierteam bietet große Chancen für Familien, in denen Kindern aufgrund einseitiger geschlechtsspezifischer Erfahrungen oder Wertvorstellungen in ihrer sozialen Interaktion beeinträchtigt sind. Der Bedarf besteht auch, wenn die geschlechtliche Orientierung der Kinder als unflexibel und unveränderbar wahrgenommen wird. Für das Kind entstehen durch die Tandemarbeit neue Identifikationsmöglichkeiten mit beiden Geschlechtern, losgelöst von Rollenklischees, die es bisher kennen gelernt hat. Dabei können z. B. durch Medien vermittelte Stereotypien aufgelöst und eine geschlechtsbewusste Grundhaltung auf den Prinzipien von Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aufgebaut werden.

Bei unterschiedenem kulturellem Hintergrund besteht die Möglichkeit, Mann und Frau deutscher Kultur in gleichberechtigtem Dialog kennen zu lernen und sich mit ihren Einstellungen auseinander zu setzen. So werden bikulturelle Sozialisationsprozesse gefördert und ein breiteres Spektrum an Identifikationshilfen als Optionen zwischen Assimilation und Herkunftsorientierung aufgezeigt.

Auch bei Kindern psychisch kranker Eltern (schizophrene und affektive Störungen) findet das Tandemmodell häufig sinnvolle Anwendung. Die Förderung des Individualisierungsprozesses des Kindes ist dabei von besonderer Bedeutung im Rahmen einer Prävention. Das Kind kann im Tandemfall von einem Mitarbeiter begleitet, der eine Mentorenbeziehung aufbaut, die weitgehend unbelastet ist von den Problemen der Eltern. Der zweite Mitarbeiter konzentriert sich eher auf die Familienunterstützung, mit Schwerpunkt auf Förderung der elterlichen Erziehungstätigkeit. So kann durch professionelle Vernetzung einerseits eine individuelle Entwicklung des Kindes gesichert und andererseits eine Antwort auf sein Bindungs- und Kontinuitätsbedürfnis gefunden werden.

In Patchwork- oder Stieffamilien, die häufig ein höheres Konfliktpotential (verletzte Expartner, Loyalitäts- und Schuldgefühle der biologischen Eltern, Eifersucht, Trauer) tragen, bietet das Arbeiten in einem Zweierteam hilfreiche Möglichkeiten. Es kann sinnvoll sein, dass ein Mitarbeiter in einer konfliktreichen Familie für einen Partner und dessen biologische Kinder zuständig ist und der Tandemkollege für den anderen Partner mit dessen biologische Kindern. So fühlen sich Adressaten erst mal loyal geschätzt und sind leichter zu einer Zusammenarbeit zu gewinnen. In einer zweiten Phase kann dann die Annäherung zwischen den Subsystemen stattfinden, gemeinsame Regeln gefunden und eine Einigung über Erziehungskonzepte erzielt werden.