Beiträge zu unserer Arbeitsweise
Ressourcenorientierung
Unsere Adressaten treten mit Problemen an uns heran, die sie momentan nicht selbst lösen können. Das Augenmerk ist oftmals auf die Probleme und Defizite der Adressaten und das Familiensystem gerichtet, so dass die Ressourcen, die jeder Mensch zur Lösung der eigenen Probleme in sich trägt, vergessen oder außer Betracht gelassen werden. In der Ressourcenarbeit geht es darum diese Ressourcen zu aktivieren und / oder Neue zu erarbeiten.
Bei unseren Adressaten ist zu Beginn davon auszugehen, dass sie ihre Ressourcen nur unzureichend wahrnehmen können. Psychisch belastete Personen teilen in vielen Fällen die Pathologieorientierung ihrer Umwelt: Sie haben die Erfahrung gemacht, dass sie Belastungen nicht mehr bewältigen, mit denen „normale" Personen und auch sie selbst früher keine Schwierigkeiten hatten. Diese Demoralisierung, das fehlende Zutrauen zu sich selbst, sowie die damit verbundene Hilf- und Hoffnungslosigkeit führen dazu, dass die Person Bereiche, in denen sie gut zurechtkommt, nicht als relevant ansieht und eine global negative Sicht dominiert. Es ist also nicht zu erwarten, dass Adressaten ohne weiteres Zugang zu ihren Ressourcen haben oder Auskunft über sie geben können.
Lebensweltorientierung
In unserer Arbeit folgen wir dem Ansatz der Lebensweltorientierung von Hans Thiersch. Lebensweltorientierung in dem Sinne bedeutet, die individuellen sozialen Probleme der Betroffenen in ihrem Alltag in den Blick zu rücken, um sie dabei zu unterstützen, vor diesem Hintergrund einen gelingenden Alltag zu ermöglichen. Hierzu gehört vor allem Respekt und Akzeptanz von fremden Lebensentwürfen - als das, was sie sind - wertvoll an sich. Da genau diese Aspekte eine Standardisierung erschweren, soll hier nun dargestellt werden, wie wir diesen Ansatz interpretieren und als Handlungsmaxime nutzen.
Sozialraumorientierung
Eine bedeutende Dimension im Alltag aller Menschen und auch unserer Adressaten ist der „Sozialraum", also der Ort in dem sie leben, einen Grossteil ihrer Zeit verbringen, arbeiten, einkaufen, Kontakte pflegen und dessen Struktur sie auf ihre eigene Weise mitgestalten. Deshalb ist die sozialräumliche Sozialarbeit eine der handlungsleitenden Komponenten unserer Arbeit. Sozialraumorientierung bedeutet insofern sich Lebenswelten anzueignen und zu gestalten. Wir unterstützen unsere Adressaten in ihrem Lebensraum, helfen Ressourcen des Sozialraumes zu nutzen und förderliche Arrangements zu kreieren. Dazu besorgen wir uns Informationen über Netzwerke und Strukturen, Vereine, Organisationen usw. Wir entwerfen nachhaltige Lösungsansätze, die zum Ziel haben, dass Menschen in schwierigen Lebenssituationen entsprechend ihren eigenen Lebensentwürfen in ihrem Sozialraum zurechtkommen. Unsere diesbezügliche Arbeit liegt folglich darin, gemeinsam mit den beteiligten Menschen sozialräumliche Möglichkeiten zu erkennen und durch individuelle Planung, Begleitung und Beratung Problemlösungen und Ziele zu entwickeln die dem sozialräumlichen Integrationsprozess förderlich sind.
Therapeutisches Milieu
Die Zielsetzung unserer Betreuung ist die Stabilisierung und Gesundung, sowie die Nachreifung und Nachsozialisierung der betreuten Kinder und Jugendlichen. Unsere Betreuung bietet den Adressaten einen Sicherheit gebenden Rahmen, innerhalb dessen eine innere (das eigene Erleben betreffende) und äußere (Kontakt und Kommunikation mit anderen Menschen betreffende) Neuorientierung und eine Auseinandersetzung mit der erlebten Geschichte, Traumatisierungen und erlittenen Kränkungen möglich ist. Diese Hilfe wird in der Formulierung "Therapeutisches Milieu" zusammengefasst.
Der Ansatz des therapeutischen Milieus hebt also die Trennung von Therapie und Pädagogik auf, indem Therapie nicht mehr separiert stattfindet, sondern im Alltag dienen Situationen wie Essen, Aufstehen, Spielen als Lernort, ohne dass sie dadurch verfremdet werden. „Jede Tätigkeit kann demnach zur Entwicklung, Anregung, Entfaltung, Förderung und Heilung beitragen.“ (vgl. Flosdorf 1988, S.105ff).
Beziehungsarbeit
Vielen unserer Adressaten fehlen wesentliche Grunderfahrungen, die sie im Laufe ihres Lebens hätten machen müssen, um sich positiv entwickeln zu können. Hierzu gehört, als Kind von dauerhaften Bezugspersonen angenommen, versorgt, geliebt, genährt, beschützt zu werden, Geborgenheit, Verlässlichkeit, Förderung und Begrenzung, Orientierung und Freiheit, Zutrauen und Behütung vor Überforderung zu erleben. Viele haben Ablehnung, Vernachlässigung, Unterversorgung, Schläge, Misshandlung oder sexuellen Missbrauch erlebt und reagieren heute mit Beziehungsstörungen, Bindungslosigkeit oder mangelndem Selbstwertgefühl.
Wir arbeiten mit Kindern und Jugendlichen, die entwicklungshemmende, zum Teil traumatische Erfahrungen gemacht haben, sodass sie sich nur schwer erreichen lassen. Sie können selten die herkömmlichen Formen von Zuwendung akzeptieren, – im Gegenteil, sie provozieren mit Aggressionen und anderen negativen Annäherungsversuchen, die leicht falsch verstanden werden. Es scheint, als ließen sie sich auf kein weiteres pädagogisches Angebot mehr ein, weil sie genug haben von persönlichen Enttäuschungen und Verletzungen. Vielfach muss also die Bereitschaft, neue Erfahrungen überhaupt machen zu wollen, erst wieder geweckt werden.
Tandemarbeit
Zentrale Ziele bleiben auch bei der Arbeit im Tandem die Stärkung der Kinder und ihrer Familien, bei besonderer Berücksichtigung ihrer Kompetenzen und Ressourcen. Zusätzlich werden jedoch Kräfte mobilisiert durch die Philosophie von Co-Konstruktion. Pädagogische Experten mit unterschiedlichem Geschlecht, Alter und Kompetenzen bilden ein sich ergänzendes pädagogisches Zweierteam, das an Stärke durch seine Heterogenität, Teamgeist und die gemeinsame Zielorientierung gewinnt. Seine Einsatzmöglichkeiten sind Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen, besondere Familienkonstruktionen, kulturelle Hintergründe oder besondere Bedürfnisse von Adressaten und stellen zeitgemäße Sozialisationshilfen für Familien dar.
Faktoren der Zusammenarbeit im Tandemmodell
Zuerst gilt es bei der Familie ein Bewusstsein für die zyklisch wiederkehrende Zusammenarbeit zu schaffen. Die „Aufgabenteilung“ orientiert sich dabei an den detaillierten Kenntnissen der Arbeitsweise und der individuellen Ressourcennutzung des anderen und an den Bedürfnissen der Familie, um systemisch-ganzheitlich und zielorientiert zu arbeiten. Die Transparenz der Prozesse, Offenheit und Authentizität auf sozialpädagogischer Kontextebene, die Vernetzung der Mentoren und Bereitschaft zu kontinuierlichem Austausch erhält hier eine zentrale Bedeutung. Dies bedingt auch einen etwa 10%igen höheren Zeitaufwand der Hilfeleistung, um die Zusammenarbeit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Konstruktives Feedback und wertschätzende Beurteilung und Würdigung der Arbeit des Tandempartners, sowie die Verknüpfung mit dem Gesamtkontext der Familiensituation und dem Feedback der Familie legen die Grundlagen für weitere Zielperspektiven.